In den letzten Wochen war die Fußball- und damit mediale Sportberichterstattung dominiert von den astronomischen Transfergebühren für Neymar, Ousmane Dembélé und Co. Diese wechselten für 3-stellige Millionenbeträge ihre Vereine. In diesem Zusammenhang ist eine Diskussion über den (Un-)Sinn dieser Summen angestoßen worden. Selbst „Turbo-Kapitalist“ Uli Hoeneß meldete sich in der SportBILD kritisch zu Wort:
Christian Streich, Trainer des nicht ganz so reichen Bundesligisten SC Freiburg meint zu den aktuellen Transfersummen gegenüber dem SPIEGEL:
In Diskussionen in TV, social media, aber auch beim Bäcker um die Ecke macht sich immer mehr das Gefühl breit, dass sich der Spitzenfußball mit diesen fantastillionischen Zahlen kaputt macht, hat er doch schon lange nichts mehr mit der Lebenswelt der Fanbasis zu tun. Gibt es überhaupt noch irgendwelche Grenzen?
Die Frage, die sich VolleyballFREAK stellt, ist, ob sich durch diese selbstverschuldete Krise des Vereins- und Verbands-Fußballs Chancen für „Randsportarten“ wie Volleyball ergeben können…
Wofür steht Fußball? Probleme und Perspektiven
Fußball ist die unangefochtene Sportart Nr. 1. Keine Zeitung, keine Sport-Sendung ohne Berichte über Fußball – sowohl der internationalen Spitze als auch Begegnungen in unterklassigen Ligen. Fußball ist allgegenwärtig.
Und der Kommerz um diesen Sport könnte in der Tat zum Problem für den Fußball werden. Die Rechte an Fußballübertragungen werden mittlerweile für Beträge versteigert, die dem Bruttoinlandsprodukt eines kleinen Staates gleichkommt. Auf diese Weise wird unglaublich viel Geld in das System gespült. Geld, welches auch für die oben genannten gigantischen Transfers zur Verfügung steht und die Schraube immer weiter drehen lässt: Selbst durchschnittliche Profis werden mittlerweile für horrende Summen zum Kauf angeboten.
Hinzu kommen Mega-Sponsoren wie arabische-Scheichs und Öl-Milliardäre die zig Millionen in europäische Spitzenclubs pumpen.
Beide genannten Faktoren gelten insbesondere für die englische Liga. Hier kommen zudem weitere Erlöse aus dem Verkauf von Eintrittskarten für Stadienbesuche hinzu. Auch die Preise für einfache Tickets sind in den letzten Jahren massiv angezogen, so dass sich die Stammklientel von vielen Clubs den Besuch der Stadien nicht mehr leisten kann. Es macht sich unter den Fans immer mehr das Gefühl breit:
Es geht nur noch ums Geld verdienen – da machen wir nicht mehr länger mit!
Hinzu kommt eine gewissen Beliebig- und Austauschbarkeit:
Wieso sollte man einem Spieler zujubeln der bei einem besseren Angebot in der kommenden Saison das Trikot der Konkurrenz überstreift?
Die Chance – gerade für Kinder und Jugendliche – sich mit den Stars des eigenen Vereins zu identifizieren sinkt dadurch rapide.
Hier Änderungen anzugehen wäre Sache der großen Verbände (DFB -> UEFA -> FIFA), aber auch hier scheint der Fisch vom Kopf her zu stinken. In anderen US-Sportarten gibt es mittlerweile Instrumente zur Begrenzung von Gehältern – und damit auch mehr Chancengleichheit zwischen kleinen und großen Clubs. Im Fußball dreht sich diese Spirale aber immer weiter.
Mit den Clubs an der Basis des Fußballs, den Clubs in den Kreis- und Bezirksligen hat das nur wenig zu tun. Und dennoch ist auch hier das finanzielle Gefälle zwischen Fußballclubs und denen aus anderen Sportarten groß:
Bei nicht wenigen Fußball-Teams auch aus den untersten Ligen bekommen Spieler Handgeld, Antritts- oder Torprämien. Dies gilt ganz sicher nicht für alle Teams, jedoch kommen solche Umstände in anderen Sportarten nie vor. Dafür fehlt schlicht und einfach das Geld…
Wofür steht Volleyball? Sportliche und finanzielle Aspekte
Die Volleyballwelt stellt in vielerlei Hinsicht einen starken Kontrast zum Fußball dar:
- Volleyball ist ein faszinierender, schneller, athletischer, actionreicher und emotionsgeladener Sport
- Ein 0:0 nach 90 Minuten ist ausgeschlossen, in jeder Minute fallen Entscheidungen und sind tolle Ballwechsel zu bestaunen
- Volleyball – auch auf höchstem Niveau – bietet häufig eine familiäre Atmosphäre. Spieler sind nicht abgeschottet sondern sehr bodenständig
- Tickets sind erschwinglich – der Sport und die Show drum herum sind jeden Cent wert: Selbst in Spielpausen wird mit Musik und kleinen Einlagen für Unterhaltung gesorgt
- Es ist eine herausragende Fankultur im Volleyball entstanden – und das völlig fair und ohne Randalen!
Selbst im Spitzenvolleyball herrscht das Gefühl vor: Der/ Die ist einer von uns!
Volleyball ist eine der vielen Randsportarten, die selbst bei Top-Events wie Welt- und Europameisterschaften um jede Sekunde im TV kämpfen müssen. So wurde am vergangenen Wochenende gefeiert, dass das EM-Finale der Männer im free TV zu sehen sein würde. Das dürfte aus Sicht von Fußball-Funktionären nicht nachvollziehbar sein, werden doch selbst Regionalligaspiele von den dritten Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens live zur besten Sendezeit übertragen.
Volleyball Bundesliga im free TV?! Tatsächlich!
Sport1 wird in dieser Saison ausgewählte Spiele der Volleyball Bundesliga der Frauen live übertragen. Zwischen Oktober 2017 und März 2018 werden zehn Hauptrundenspiele der 1. Bundesliga und ein DVV-Pokal-Halbfinale der Frauen live zu sehen sein. Hier geht es zur Pressemitteilung der VBL.
In Stadien ist (Beach-)Volleyball bereits jetzt ein echter Zuschauermagnet: Erfolgreiche Events wie kürzlich die Beachvolleyball WM in Wien, das World Tour Finale in Hamburg oder die DM am Timmendorfer Strand zeigen: Volleyball ist populär, die Stadien sind so voll, dass der Zutritt begrenzt werden muss.
Beeindruckend waren auch die Bilder von der EM in Polen. 65.000 Zuschauer haben hier ein echtes Volleyball-Fest gefeiert.
Finanzielle Aspekte im Volleyball
Anders als im Fußball ist im gesamten System „Volleyball“ auf allen Ebenen zu wenig Geld vorhanden:
Im Spitzenvolleyball sind bei den meisten Teams die Gehälter so gering, dass kein Puffer für die Zeit nach der Karriere (oder bei einer Verletzung) aufzubauen ist. Volleyballer müssen also schon während der aktiven Laufbahn für die Zeit nach der Karriere planen.
Es fehlt an zahlungskräftigen Sponsoren und an medialer Aufmerksamkeit. Häufig bedingen sich beide Faktoren und ein nicht zu durchbrechender Kreislauf entsteht.
Die Regel bei Volleyball-Teams selbst bis in die höchsten Ligen ist…
- Volleyballer bekommen kein Geld sondern zahlen Mitgliedsbeiträge
- Volleyballer zahlen den Sprit für die Auswärtsspiele selbst
- Volleyballer zahlen ihre Trikots selbst
- Volleyballer arbeiten ehrenamtlich um den Verein am Laufen zu halten
- Volleyballvereine finden keine Trainer – oder können sie nicht bezahlen
Wer als Volleyballer Geld verdienen möchte, muss entweder zur absoluten deutschen Spitzenklasse gehören und/ oder im Ausland sein Geld verdienen. Und auch dann bewegt sich Volleyball in gänzlich anderen finanziellen Sphären als Fußball.
Aber selbst die besten deutschen Spieler können nicht sorgenfrei und in Saus und Braus leben – und ihrem Beruf nachgehen:
“Nicht jeder kann es sich leisten, für Deutschland zu spielen“
So schreibt die ZEIT, dass Nationalspieler zum Nulltarif für Deutschland spielen. Unsere EM-Silber Helden treten in ihrer freien Urlaubszeit/ Saisonpause bei EM/ WM für Deutschland an. Zum Vergleich: Die deutschen Fußballer handelten vor der WM 2014 eine Prämie von 300.000 € pro Kopf für den WM-Titel aus. Unvorstellbar.
Volleyball als echte Konkurrenz zum Fußball?
Vereins- und Verbandsfußball befindet sich gerade an einem spannenden Punkt. Kritik am überbordenden Kommerz wird immer lauter. Fanproteste im Stadion, Stimmen im Netz, an vielen Stellen kriselt es. Ob – und welche Antwort Fußball-Funktionäre auf die Sorgen und Ängste ihrer Basis, den Fans, findet, wird entscheidend sein, ob andere Sportarten wie Volleyball eine Chance bekommen, populärer zu werden.
VolleyballFREAK möchte auf keinen Fall eine Neiddebatte provozieren. Es geht lediglich um die Möglichkeit, Volleyball sowie weitere attraktive Sportarten ebenfalls in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken.
Das „Produkt“ Volleyball stimmt jedenfalls: So gut wie jeder, der einmal ein (höherklassiges) Volleyballspiel live erlebt hat, ist fasziniert von der guten, positiven Stimmung – und den gezeigten spektakulären Leistungen.
Setzt ein Umdenken ein, und finden zunehmend mehr Menschen auch medialen Zugang zu Volleyball, wird das Fernsehen immer weniger Ausreden finden, Volleyball nicht zu zeigen. Dass jetzt die ersten zehn Spiele der Frauen Volleyball Bundesliga im TV zu sehen sein werden ist ein erster guter Schritt in die richtige Richtung – weitere werden bei Erfolg hoffentlich bald folgen! Denn: Events wie Olympische Spiele zeigen, dass Volleyball längst massenkompatibel ist: Sowohl in London 2012 als auch in Rio 2016 waren die Beach Volleyball Finalspiele (zugegeben: mit deutscher Beteiligung!) mit mehr als 8 Millionen Zuschauern DIE Straßenfeger der Spiele. Warum soll das schrittweise nicht auch mit WM, EM und auch der Bundesliga gelingen? VolleyballFREAK wird zumindest weiter dafür kämpfen, Volleyball live und zur besten Zeit ins free TV einem möglichsten großen Publikum zugänglich zu machen.
Kämpft mit.
Gedanken zur Perspektive des Volleyballs machte sich VolleyballFREAK Redakteur Tobias Goerlich
Bereits kurze Zeit nach Start des Blogs in 2014 schreibt Tobias regelmäßig für den VolleyballFREAK. Mehr zu Tobias hier
Eddy
Sep 10, 2017 -
Hallo Tobias,
ich verstehe deinen Schwenk von horrenden TV Summen zur medialen Aufmerksamkeit des Volleyballs in diesem Artikel nicht ganz, was möchtest du uns damit genau mitteilen?
Generell finde ich, dass im Volleyball im Moment ziemlich viel Dynamik drin ist:
Wir erhalten mehr mediale Aufmerksamkeit, sei es durch Zeitungsartikel in auflagenstarken Blättern, TV- Aufmerksamkeit oder auch in den sozialen Medien durch Initiativen wie den Volleyballfreak oder auch “Bringt Volleyball in die Medien”. Allerdings sehe ich zwei Punkte, woran ich mich immer wieder störe:
Ich glaube persönlich nicht an das Medium TV und den alteingesessenen Sendern, sei es privat oder auch öffentlich- rechtlich. Junge Menschen konsumieren immer mehr Inhalte über das Netz und genau dort sollte man ansetzen. Unternehmen wie Facebook, Google und Amazon generieren Milliardenumsätze durch Werbeeinahmen, von denen sich prinzipiell jeder ein Stück abschneiden kann, warum fährt man nicht zweigleisig und nutzt das Internet nicht für seine Zwecke? Dieser Aspekt fehlt mir in allen aktuell geführten Diskussionen.
Zweitens. Das TV hat 24 Stunden Sendezeit und noch weniger Sendezeit in der Primetime. Volleyball ist ganz klar ein attraktiver Sport, aber ich sehe nicht, wie die aktuell geführte Diskussion zu einem Ausgleich unter allen Sportarten schaffen soll: Was ist mit anderen Sportarten, die genauso unter der Nicht- Präsenz leiden? Wollen wir nur für den Volleyball kämpfen oder geht es uns denn nicht darum, eine faire und dem öfferntlichen Interesse geschuldeten Verteilung von Sendezeit?
Juan
Okt 3, 2017 -
Ich glaube, dass die mediale Präsenz von Volleyball (siehe EM) und insbesondere Beachvolleyball massiv zunehmen wird. Die Zuschauerzahlen und Events in der abgelaufenen Saison (z.B. WM in Wien, World Tour in Hamburg) zeigen das. Mit neuen Sponsoren (z.B. TK bei der nationalen Beach Tour) wird deutlich mehr Geld und auch Professionalität in den Sport Einzug halten.