Aufstellungsriegel & Annahmeformationen im Volleyball: Vom 5er zum 1er Riegel
Die Aufschlag-Annahmesituation (Komplex 1, K1) ist die entscheidende Situation im Volleyball. Wer hier als Team stark agiert, wird erfolgreich sein.
Je besser Aufschlage und Annahme sind, desto erfolgreicher sind die Folgehandlungen!
Kommt die Annahme perfekt zum Zuspieler, ist die Chance hoch, dass der Angreifer auch den Punkt machen wird.
Hier ist es einerseits wichtig zu wissen, welche gegnerischen Spieler Stärken und Schwächen in der Annahme haben (Anfällig bei kurzen Aufschlägen, Float-Aufschlägen, Annahme seitlich oder im Pritschen…), welche Aufstellungsvarianten diese bevorzugen (5er, 4er, 3er Riegel, fangen weit vorne/ hinten an…), als auch welche Aufschläge die Gegner ausführen.
Nur wer das Wissen hat und in den entscheidenden Situationen die Schwachpunkte des Gegners ausnutzen kann, hat einen echten Vorteil.
Kommunikation im Annahmeriegel
Zumeist übernimmt die Kommunikation der Libero oder ein führender Annahmespieler. Dieser agiert als verlängerter Arm des Trainers auf dem Feld. Er klärt,
wer die Schnittzonen annimmt
hier gibt es verschiedene Varianten:
vor jeder Annahme werden die Zuständigkeiten geklärt
es gelten feste Regeln
die besten Spieler übernehmen die Schnittzonen
wie/ ob sich der Riegel verschieben sollte
welche Spieler im Riegel stehen
Ruft, wer den Ball nimmt („Ich“)
Fliegt der Ball ins „Aus“? Ruft!
Laufwege optimieren
Eine perfekte Annahme ist wenig wert, wenn der Zuspieler es nicht schafft, zum optimalen Zuspielort laufen zu können. Daher müssen auch hier Optimierungen passieren. Hier Tipps für die Anpassung der Laufwege bei Zuspielsituation hinten:
Der Läufer I kann je nach eigener Annahmestärke und Aufschlagart des Gegners gut angepasst werden
Neutrale Stellung
Vorgezogene Aufstellung um den Annahmespieler II aus dem Riegel zu lösen und den Laufweg des Zuspielers zu verkürzen
Zurückgezogene Ausführung gegen dominante Sprungaufschläger, auch wenn der Laufweg des Zuspielers dadurch verlängert wird
Der Laufweg im Läufer VI ist kurz und unproblematisch
Der Laufweg beim Läufer V ist lang und problematisch, kreuz er doch den Ballweg. Der Zuspieler sollte deshalb möglichst weit innen, aber links von Position VI und hinter der Position IV befinden.
Variante: Befindet sich auf Position II und/ oder III mindestens ein linkshändiger Spieler, kann in dieser Situation auch von Position IV zugespielt werden
In welcher Riegelformation/ Aufstellung sollte mein Team spielen?
Hier kann es keine pauschal-richtige Antwort geben. Der Riegel sollte maßgeblich bestimmt sein vom Niveau des Teams und die eigenen Stärken hervorheben, sowie die Schwächen kaschieren.
Auch ist es nicht nötig, dass in allen 6 Rotationen der gleiche Riegel gespielt werden muss. Teams können in jeder Rotation einen für sie sinnvollen unterschiedlichen Riegel/ Formation trainieren.
Je höher das Leistungsvermögen ist, desto weniger Spieler sollten im Annahmeriegel stehen. Das reduziert Schnittzonen und damit Missverständnisse. Zusätzlich können sich so frühzeitig mehr Spieler auf den Angriff vorbereiten. Auf höchstem Niveau wird im 2er Riegel angenommen*, nur bei Sprungaufschlägen kommt ein dritter Spieler in den Riegel hinzu.
Oberste Priorität sollte aber eine möglichst optimale Annahmeleistung haben!
Tipps für Annahme-Aufstellungsvarianten im Volleyball
Verschiebt den Riegel gegen harte Sprungaufschläge nach hinten
Verschiebt den Riegel gegen Float-Aufschläge hingegen nach vorne um im Pritschen annehmen zu können
Der beste Annahmespieler verantwortet den größten Bereich
Haben Annahmespieler „Lieblingsseiten“ kann der Riegel auch hierzu angepasst werden, indem diese stärkeren Seiten dem Gegner „präsentiert“ werden
Verschiebt den Riegel je nach Aufschlagort des Gegners
Schlägt ein Spieler immer in bestimmte Zonen auf, verlagert den Haupt-Annahmebereich dorthin
Auch das kurzzeitige Verändern eines Riegels (dem Gegner ein neues Bild liefern) kann Erfolg haben
Der Schnellangreifer sollte zur besseren Angriffsvorbereitung nicht im Annahmeriegel stehen
Gleiches gilt für Hinterfeldangreifer
Auch der vorne stehende Außenangreifer kann aus dem Riegel gelöst werden um sich frühzeitig auf seinen Angriff zu konzentrieren, solange die Annahme dadurch nicht leidet
Varianten des 5er Riegels
Der 5er Riegel wird häufig im unteren Leistungsbereich angewendet,
da das Feld gut/ gleichmäßig abgedeckt werden kann
der Annahmebereich jedes einzelnen Spielers klein ist
Laufwege reduziert sind
Spieler universell ausgebildet werden
Hieraus lassen sich auch die Nachteile ableiten:
Durch die vielen Schnittzonen muss besonders gut kommuniziert werden
Auch Angreifer müssen sich auf die Annahme konzentrieren
Schnellangriffe sind erschwert
W-Formationen
Die W-Formation ist sowohl gegen lange, als auch gegen kurze Aufschläge sinnvoll.
U/ Halbkreis-Formationen
Diese Aufstellung hat den Vorteil, dass die beiden vorderen Annahmespieler kürzere Laufwege zum Angriff haben.
M-Formation
Schlägt der Gegner vermehrt kurz auf, ist die M-Formation sinnvoll.
Sonderaufstellungen
Hier 2 Beispiele für Sonderaufstellungen, exemplarisch im Läufer I, bei welcher ein Spieler größere Bereiche verantwortet.
Varianten des 4er Riegels
Die Umstellung vom 5er auf den 4er Riegel ist nur dann sinnvoll, wenn sich die Annahme dadurch nicht verschlechtert, besser noch soll die Leistung steigen. Nur weil die Annahmeleistung steigen könnte, ist ein Wechsel nicht anzuraten. Auch Mischformen aus 5er und 4er Riegel sind möglich.
Im 4er Riegel kann
der Schnellangreifer aus dem Riegel gelöst werden
der Hinterfeld-Hauptangreifer gelöst werden
sich kürzere Laufwege für die Zuspieler ergeben
die Feldabdeckung ist immer noch gut
weitere individuelle Vorteile
Halbkreis tief
Gute Abdeckung gegen Aufschläge mittlerer Länge, aber Probleme im Zentrum durch Missverständnisse
Halbkreis flach/ auf einer Linie
Gute Abdeckung gegen lange Aufschläge, aber Probleme bei kurzen Aufschlägen
Zick-Zack-Aufstellung
Kompromiss aus beiden vorherigen Aufstellungsvarianten. Auf jeden Fall eine lohnenswerte, wenn auch eher unbekannte Variante.
Sonderaufstellungen
Hier Sonderformen mit einem dominanten Annahmespieler der bis zu einem halben Feld abdeckt, exemplarisch im Läufer I.
Varianten des 3er Riegels
Bei der Einführung des 3er Riegels gilt, was auch bei der Einführung des 4er Riegels galt: Die Annahmequalität darf nicht leiden, muss sogar noch gesteigert werden! Der Wechsel erfolgt am besten etappenweise, also nicht direkt bei allen 6 Rotationen.
Die drei Annahmespieler müssen alle Aufschläge des Gegners annehmen können
Dies ist der gängigste Riegel auf mittleren und hohem Niveau
Ein Libero kann einen Großteil des Feldes abdecken
Schnell- und Hinterfeldangreifer sind aus der Annahme gelöst
Schwierigkeiten können die großen, unbedeckten Zonen machen sowie
Die Beinarbeit in der Vorwärts-/ Rückwärtsbewegung
Der Riegel kann flexibel angeordnet werden (weiter vorne/ hinten, auf einer Linie/ flacher Halbkreis
Es ergeben sich je nach Stärken des eigenen Kaders unzählige Varianten. Hier gilt es für die Trainer, die besten Lösungen für das eigene Team zu finden.
Hier exemplarisch eine Grundaufstellung sowie ein System mit einem dominanten Annahmespieler (Libero?) im Läufer I.
Varianten des 2er Riegels
Der 2er Riegel stellt die höchste Form/ Anforderung der Annahmeriegel dar. Durch ihnen kann der Angriffsaufbau weiter optimiert werden. Weiter gelten natürlich die Hinweise, dass die Annahmeleistung nicht leiden darf.
Es gibt nur noch eine Überschneidungszone, die Kommunikation ist vereinfacht, jeder Annahmespieler ist für eine Feldhälfte zuständig
Die 2 Experten schrauben die Annahmeleistung in der Regel weiter nach oben
Die psychische Belastung ist allerdings höher
Bei Ausfällen bedarf es eines Plan B
Nicht das gesamte Feld kann gleich gut verteidigt werden
Überlegungen zum 1er Riegel
Der Einsatz des 1er Riegels kann sinnvoll sein
Wenn der gegnerische Aufschläger von weit hinten agiert und die lange Flugzeit die Bewegung zum Annahmeort ermöglicht.
Hierbei sollte im 2er Riegel begonnen werden und mit dem Anwurf weicht der 2. Annahmespieler an den Feldrand aus und der Annahmespieler orientiert sich in die Feldmitte
Täuschungs- und Trickaufstellungen
Täuschungs- und Trickaufstellungen sollen es dem Gegner erschweren, die eigentliche Zuordnung aus Vorder- und Hinterspieler lesen zu können. Gerade auf unterem und mittlerem Leistungsniveau können diese Aufstellungen einen guten Effekt bringen.
Der Zuspieler im Vorderfeld agiert wie ein Hinterspieler und greift den 2. Ball direkt an
Ein Angreifer aus dem Hinterfeld agiert wie ein Vorderspieler um den Block zu ziehen
Ein Hinterspieler verhält sich bei eigenem Aufschlag wie ein Blockspieler
Ein starker Schein-Blockspieler (Hinterspieler) kann so einen Angriff über seine „Schein-Position“ eliminieren
Ein schwacher Schein-Blockspieler (Hinterspieler) kann einen Angriff über seine „Schein-Position“ provozieren
Ein schwacher Blockspieler (Vorderspieler) kann auf einer anderen Position als üblich „versteckt“ werden
Voraussetzungen für Trickaufstellungen
Die Annahme muss optimal ans Netz kommen
Motorische Fähigkeiten (Umschalten des Zuspielers von eigener Angriffs- auf Zuspielhandlung, Beherrschen des Sprungzuspiels)
Großes technisches-taktisches Können des Teams. Nicht auf Biegen und Brechen eine Trickaufstellung spielen lassen
Die Annahme darf nicht geschwächt werden
Je höher das Wissen des Gegners, desto schwieriger ist eine wirkungsvolle Täuschung
Alle Aufstellungen haben die Gefahren von Aufstellungsfehlern.
Alle Täuschungsaufstellungen erfordern hohen Trainingsaufwand
Hier exemplarische Läufer II und Läufer I als Scheinaufstellungen. Da diese aufeinander folgen ist die Verwirrung des Gegners leichter möglich.
*Alle Daten und die Nomenklatur beziehen sich auf Papageorgiou, A. & Spitzley, W. (2006). Handbuch für Leistungsvolleyball. Aachen: Meyer & Meyer
Letzte Aktualisierung am 21.11.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
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Ohne Annahmespass kein Angriffspass
Ohne Annahme keine Kekse
weitere Läufersysteme im Volleyball
Für grundlegende Informationen zur Rotationsregel und dem Läufersystem bietet der Artikel “Volleyball Läufersystem” eine super Basis. Für die verschiedenen Aufstellungen für das Läufersystem mit 2 Stellern jetzt hier klicken. Darüber hinaus können Kenntnisse über die verschiedenen Positionen im Volleyball nie schaden:
Wie sichert man während des Spiels (K2-Situationen) das Volleyballfeld am besten ab? Lies dazu die beiden Artikel zur Angriffsicherung sowie die Block- und Feldverteidigung.